Osterpilgern auf dem Wilsnacker Pilgerweg
Gründonnerstag auf dem Wilsnacker Pilgerweg – von Bötzow nach Flatow (ca. 20km)
Als wir dann in Flatow ankamen, waren wir ziemlich geschafft. Für die Übernachtung im Gemeinderaum mussten wir noch eine Mitglied des Gemeindekirchenrates anrufen. Frau Guse kam dann auch schnell und schloss uns das Gemeindehaus neben der Kirche auf. Zum Schlafen konnten wir uns selbst Feldbetten aufstellen und es gab auch eine kleine Küche mit einfacher Kochmöglichkeit. Eine Dusche suchten wir vergebens, es gab nur eine Toilette mit Kaltwasser. Aber das war gar kein Problem.
Karfreitag in Brandenburg – von Flatow nach Protzen (ca. 27 km)
Am nächsten Morgen machten wir noch schnell eine Runde um die Kirche, um den Staffelgiebel zu bewundern, der sich auf der Rückseite der Kirche versteckt.
Es war herrlichstes Wetter. Sonne und blauer Himmel. Perfekt für den nächsten Wandertag. Die ersten Kilometer führten uns durch den Wald und vorbei an Spargelfeldern. Der kurze Abschnitt auf der Landstraße war nicht weiter schlimm. Karfreitag, morgens um 10 in Brandenburg. Da gibt´s nicht viel Verkehr… Als wir immer näher an das Storchendorf Linum rankamen, sahen wir auf dem Feld eine ganze Gruppe weißer Vögel sitzen. Doch das waren keine Störche, sondern Schwäne. Komisch. Da war ja nicht mal richtiges Wasser! Nur so ein flacher Tümpel. Das schien denen aber zu reichen und als sie uns bemerkten, flogen sie geschlossen auf ihr Wasserloch.Linum war wirklich ein Storchendorf, auch wenn die meisten Nester im Moment (noch?) leerstanden. Auch hier gab es wieder Staffelgiebel, gotisch und ziemlich beeindruckend. An den Kirchen kann man meistens ganz gut erkennen, welche Rolle diese (heute) kleinen Örtchen wohl früher mal gespielt haben.
Unser 2. Frühstück hatten wir dann ein wenig ungemütlich auf einer Bank vor der Kirche. Normalerweise ist auf der Hauptstraße des Ortes wahrscheinlich gar nix los, aber es muss wohl einen Unfall auf der Autobahn gegeben haben, sodass sich eine endlose Autokolonne durch das Dörfchen schob und wir ganz schön was zu gucken hatten mit unserer Stulle in der Hand. Was wir erst später bemerkten: Nur 5 Minuten weiter gab es gleich mehrere süße Cafés, in denen man einen schönen Kaffee hätte trinken können. Nun gut. Nicht zu ändern. Wir wollten uns unsere ausgedehntere Mittagspause eh für Fehrbellin aufheben. In dem Städtchen erwarteten wir eine höhere Einkehrmöglichkeitendichte. Doch zuerst ging es durch die Felder bis zu einem Kanal, dem wir die nächsten Stunden folgen sollten. Da kam ein bisschen ‚Great-Glen-Feeling‚ auf. Die Dörfchen Hakenberg und Tarnow ließen wir im wahrsten Sinne links liegen und freuten uns auf Fehrbellin. Auf dem Weg dahin träumten wir schon von Würzfleisch und Sahnetorte und konnten uns gar nicht so richtig entscheiden. Das war dann auch erstmal nicht nötig. Nichts. Kein Restaurant, kein Café… Die langgezogenen Kilometer auf der ‚Einfallstraße‘ führten zuerst durch den Autowerkstattring, dann kam der Netto-Lidl-Gürtel, bis wir dasStadtzentrum mit der Kirche erreichten. Tote Hose. Zum Glück war das Wetter gut und es gab eine kleine Sitzgruppe auf dem Rasen vor der Kirche, die leider auch verschlossen war. Dann also doch wieder ein Mittagssnack aus dem Rucksack. Wohlweißlich hatten wir genug zu essen eingepackt. Als wir dann aber so ein bisschen frustriert da saßen und im Pilgerführer lasen, wie die Strecke weitergeht, stießen wir auf den verheißungsvollen Halbsatz: „…… gegenüber einer Eisdiele.“ Yeah!!!! Nix wie hin! Wie haben wir das nur vorher überlesen können? Mittag hatten wir ja nun schon und so fehlte noch ein schöner Nachtisch. Und tatsächlich! Das Eiscafé hatte geöffnet. Wir konnten sogar draußen in der Sonne sitzen. Und es war ziemlich beliebt, Schlange stehen mussten wir auch. Aber egal! Es gab Eisbecher und bestimmt 10 verschiedene Torten! Sehr lecker, da hat sich das Warten gelohnt ?Ostersamstag auf dem Wilsnacker Pilgerweg – von Protzen nach Barsikow (ca. 16 km)
Wäre das Wetter nicht so besch***** gewesen, hätten wir die folgende Strecke auf schönen Graswegen zwischen den leicht hügeligen Feldern sicher mehr genossen. Zwischen den knorrigen Bäumen waren immer wieder nette Rastplätzchen eingerichtet. Leider für uns im strömenden Regen nicht wirklich brauchbar, da sie nicht überdacht waren.
Irgendwann stießen wir aber auf den alten Pflasterweg nach Barsikow und konnten unsere Schlafstätte schon von weitem sehen – den Kirchturm der Dorfkirche von Barsikow. Die Gemeinde hat sich sehr dafür eingesetzt, dass hier eine Pilgerherberge aufgebaut wurde. Seit 2011 können 10 Pilger im Turm der kleinen Kirche schlafen und ein bisschen richtige ‚Camino-Luft‘ schnuppern.Die Einladung zum Osterfeuer mit Bratwurst schlugen wir aus, da wir mit unseren wenigen trockenen Klamotten nicht mehr raus ins Nasskalte wollten. Bock auf eine Wurst hätte ich aber schon gehabt.
Nachdem wir alle 4 Mini-Heizlüfter voll aufgedreht und unsere nassen Sachen davor drappiert hatten, versuchten wir uns irgendwie mit heißen Getränken und Suppen warmzukriegen. Klappte nur bedingt und ich hatte schon ein bisschen Angst vor der Nacht im unbeheizten Turm eine Etage höher. Gemütlich war es da aber. Sogar frischbezogene Betten erwarteten uns. Zusammen mit weiteren Bettdecken aus den anderen Herbergsbetten, unserem Schlafsack mit Fleece-Inlet und allen Klamotten, die wir hatten, ging es dann in der Nacht recht gut. War fast ein bisschen zu warm. Allerdings drohten alle Körperteile, die man aus der Deckenburg kurz rausstreckte, sofort zu erfrieren. So ertrugen wir lieber die Hitze.Ostersonntag in Brandenburg – von Barsikow bis Kyritz (ca. 20 km)
Am Morgen erstmal wieder Heizlüfter an. Auch wenn wir nach dem Schlafen nicht mehr so dolle frierten wie am Tag zuvor, kann so ein bisschen warme Luft zum Frühstück nicht schaden.
Noch schnell alles zusammengepackt und dann kam auch schon Herr Grützmacher „um uns rauszuwerfen“. Doch kurz bevor wir gehen wollten: „Ich kann euch doch nicht heute am Ostersonntag ohne Gottes Segen gehen lassen!“. Und da stand er nun vor dem provisorischen Altar, der nette Opa in Jack Wolfskin-Jacke und mit Toyota-Werbekappe und gab uns nicht nur die Tageslosung zum Ostersonntag, sondern auch noch einen richtigen Pilgersegen mit auf den Weg. Rührend schön. Und dann ging´s raus ins Sauwetter. Der Regen von gestern hat sich in Schneegestöber verwandelt und begleitete uns die nächsten Stunden. Dankend nahmen wir auch die Schlechtwetter-Empfehlung von Herrn Grützmacher an. Der untere Weg sei nach Regenfällen immer ziemlich modderig und wir sollten doch der Landstraße und später einem Plattenweg bis zur Kirche in Metzelthin folgen. Auf dem offenen brandenburgischen Land kam der Schnee mittlerweile von allen Seiten und so waren wir, angetrieben von der Kälte, im Höchsttempo in Wusterhausen, wo wir Hoffnung auf eine kleine Kaffeepause hatten. Leider war hier aber am Ostersonntagmorgen nicht so viel zu holen und so blieb uns nach einem kurzen Besuch der Kirche wieder nur die Bushaltestelle. Danach führte uns der Weg zum Klempowsee, an dessen Ufer man im Sommer sicher auch herrlich baden kann. Der Uferweg durch den Wald war sehr schön, auch wenn wir unter unseren Kapuzen nicht ganz so viel mitgekriegt haben.Nach einigen Kilometern entfernte sich der Wilsnacker Pilgerweg wieder vom See und führte über eine schnurgerade Allee in Richtung Stadtzentrum Kyritz.
Und die zog sich dann nochmal und tat unserer eh schon angeschlagenen Wandermoral nicht besonders gut. Als wir dann fast eine Stunde später den Marktplatz von Kyritz erreichten, stand unser Entschluss fest: Bad Wilsnack werden wir wohl ein andermal erreichen, aber nicht mehr an diesem arktischen Osterwochenende… Zur Belohnung für unsere trotzdem gelaufenen über 80km gab es dann erstmal ordentliche Hausmannskost und noch einen Eisbecher zum Nachtisch. Das Heimkommen gestaltete sich dann auch recht einfach. Von Kyritz mit dem Zug nach Neustadt/Dosse und weiter mit dem RE nach Berlin. Doch eine nette Begegnung hatten wir noch. Wir waren fast eine Stunde zu früh am Bahnhof und natürlich war die Wartehalle abgeschlossen. Da kam der Fahrdienstleiter höchstpersönlich aus seinem Häuschen und nahm uns mit in seine gemütliche Schaltzentrale. Und dann saßen wir da zwischen Gummibäumen und Weichenhebeln und quatschten über Gott und die Welt. Seit 44 Jahren arbeitet er nun schon hier im Schaffnerhaus und liebt seinen Job. Obwohl er Abi gemacht hat, konnte er sich nicht von seiner Heimatstadt losreißen und studieren. Versetzt werden wollte er nämlich auf keinen Fall. Nun genießt er noch die letzten Jahre bis zu Rente, verschlingt zwischen den Zugeinfahrten (an diesem Ostersonntag alle 2 Stunden) Bücher und sammelt die Bahnhöfe aller deutschsprachigen Städte in einer Exceltabelle auf seinem Laptop im Hinterzimmer. Manchmal braucht´s nicht viel.Bist du dir unsicher, was alles in den Pilger-Rucksack für den Wilsnacker Pilgerweg gehört? Auf meiner Packliste findest du alles, was du brauchst.